Ellange
 





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Chronik

 Ellingen ...  Sagen ...  Mühle ...  Damals ...  de Jangeli ...  1940 - 1945 ...

 

von Jean-Pierre BESCH
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Ellinger Erinnerungen  
Ich bin Ellingen eigentlich zuerst in München begegnet in der Person ihres langjährigen Pfarrers H.Charles Kons. Und das kam so: Wir waren beide auf dem 37. eucharistischem Kongress im Jahre 1960, hatten aber weiter keine Beziehung zueinander. Erst nach einem Vortrag in der St. Michaelskirche stellte es sich im Gespräch heraus, dass wir beide auf Grünwald in nächster Narbarschaft Quartier bezogen hatten. So schlossen wir uns denn für den Rest des Kongresses in kollegialer Brüderschaft zusammen. Priester

Vom Altar und aus allen Fenstern grüssten fromm und farbenfroh ohne jedes abstrakte Getue, nach Brüchers Konzeption, die lieben Heiligen.
Hier thronte noch der Herr inmitten seiner Heiligen und sein vornehmer Thron lud still zum Beten ein.
Hier würde es eine Freude sein, Messe zu halten und mit dem gläubigen Dorfvolk nach Väter Sitte die Feste zu feiern.
Hier war also für die nächste Zukunft mein geistliches Daheim. 
Mein ziviles Daheim lag unten (wie Freund Neckel zu sagen pflegte) im Zoo.
Da, wo Tauben gurrten und Hühner gackerten, wo Nachbar Pierre in zierlichen Reihen die jungen Stummenten vom Stall zum Bach und zurück führte, wo Kücken und Katzen mit einander spielten, wo die Traktoren ratterten und kostbare Lasten vorbeizogen, je nachdem zum Feld oder zur Scheune, und mit würzigem Landgeruch die Luft erfüllten.
Da, mitten in der Landwirtschaft, hatten fleissige Geschwisterhände bereits meinen Wigwam aufgeschlagen, derweilen ich noch eine Woche im Escher Schwesternhaus der Ruhe gepflegt hatte.
Diese ärztliche verschriebene Ruhe sollte nun in Ellingen ihre Fortsetzung finden, das war mein spezielles Programm, dem jede Tagesordnung sich zu fügen hatte.
Also eine Art sublimiertes Faulenzerprogramm!
Warum auch nicht, wenn es fachmännisch verordnet und zweckmässig war?
Wenn wir das Widerwärtige aus Gotteshand annehmen, weshalb das Angenehme nicht auch?
Und angenehm war es schon, nach absolvierter Morgenandacht „den Stab in der Hand, den Feldstecher am Hals, Gottes Garten zu durchstreifen!“
Da gab es denn Feldwege und Wiesenpfade zu erwandern, Wolken und Wetter und Jahreszeiten in Feld und Wald zu studieren, Vögel und Getier in Baum und Strauch, Werden und Wachsen und Vergehen an Blumen und Blättern und Früchten zu studieren und fleissigen Landvolk bei seiner wechselvollen Arbeit zuzuschauen.
Besser wäre es ja gewesen, anzupacken.
Aber die kräftigen Bauernarme am modernen Maschinenstand bedurften meines kümmerlichen Sukkurses nicht.
Zum Gruss und Plausch und Meinungsaustausch kam es allerdings immer wieder je nach Gelegenheit.
Bald kannte ich alle Traktoren, Heupressen und Mähdrescher an ihrer Farbe und ein Blick in den Feldstecher genügte, um die landwirtschaftlichen Positionen der einzelnen Familien festzustellen und den Stand der Arbeit bei Aussaat und Ernte zu „kontrollieren“.
Das hatte seine Wichtigkeit, denn meine Bauern wünschten noch, dass ihnen am Sonntag die Notwendigkeit der Feldarbeit von der Kanzel aus bestätigt wurde.
Besonders lockten mich die schattigen Wege am „Wo'erbösch“ und auf dem ausgewalzten Janglisdamm, der vier Kilometer durch den Wald bis zum Scheuerberg führte.
Doch bis dahin reichten meine erholungsbedürftigen Kräfte nicht mehr.
Für solche Exkursionen bestieg ich meinen alten Blechesel zur An- und Rückfahrt.
Der „Schwarze“ wartete dann, von jedermann gekannt, im Schatten eines Baumes oder in der Einfahrt eines Waldweges, während ich gemütlich weiterstampfte bis sich die Ermüdung bemerkbar machte.
So hatte ich Musse und Gelegenheit, die friedliche, abwechslungsreiche Landschaft aus jeder Ecke her zu betrachten.
Hätte ich die Malerader in mir verspürt wie meine Freunde Neckel und Laury, ich hätte mich mehr denn einmal am schlanken Ellinger Kirchturm versucht, wie er auf dem stets wechselnden Hintergrund der rings aufsteigenden Bannmulde aus jeder Ecke der Landschaft immer wieder sichtbar seinen mahnenden Finger über dem dichtgekuschelten Häuserhaufen erhob. Reizvoll waren die weiten Ausblicke auf den fernen Horizont übers schöne Moseltal hinweg, die, je nach der Witterung, von dem blauen Höhenzug jenseits Grevenmacher über die Anhöhe von Körrig und Merzkirchen, über die lothringischen Erzberge hinweg bis hinüber zum Johannisberg und zum Zolverknapp reichten.
Immer wieder stand ich beim Hesslinger Wald und prüfte die Wetterlage an der Sicht auf den Saarburger Wasserbehälter auf der Anhöhe von Körrig, oder vom Elvinger Wege aus suchte ich im Feldstecher den Hesperinger Hof und über ihn hinweg den „Krekelsbierg“ (von dem aus Marschall Créqui den Belagerungsplan von Luxemburg um 1683 aufgestellt haben soll): zwischen diesen zwei Waldhöhen liegt die vertraute Gemarkung meiner Heimat.
Mit der Blechkutsche konnte ich den Radius meiner Ausflüge beliebig ausdehnen, vom Stengenerbösch bis in die Weinberge von Remerschen, von Mondorfer Park bis auf die Esplanade von Remich, von der Dalheimer Höhe bis zur alten Pfarrkirche von Sierck je nach Witterung, Jahreszeit und Laune.
Und über all diesen Quadratkilometern meiner Kur- und Flurgänge wehte kein Wölkchen von Staub und Russ, und mit beiden Klappen konnte die Herzpumpe reinsten, ungetrübten Sauerstoff saugen, was sie von Tag zu Tag mit bessere Laune quittierte.
So zeitigte die Faulenzerei allmählich ihre Früchte.
Dieses Bummlerprogramm gehörte natürlich normalerweise nicht zur Tagesordnung eines Seelsorgers, auch nicht dessen von Ellingen, aber für drei Jahre war es ein Spezificum für den dortigen geistlichen Kurgast, der darob auch von den fremden Passanten gebührend angestaunt wurde, besonders von den regelmässigen Busreisenden, die immer wieder meine seltsamen Pastoralgänge kreuzten.
Meine Ellinger „Pfarrkinder“ allerdings wussten um das Geheimnis des einsamen Wanderers.
Sie waren freudlich und zufrieden, einen Geistlichen in ihrer Mitte zu haben, und begnügten sich grossmütig mit dem kargen Dienst, den ich ihnen leisten konnte.
Dass dieser Dienst nicht besser sein konnte und auf die Dauer nicht ausreichen würde, war eine meiner Sorgen, die nach drei Jahren eigentlich den Ausschlag gab, dass ich die Einladung zum Dienst an der Kapelle von Echternach annahm.
Im übrigen verstanden wir uns gut, wir „clientes St.Lamberti“. Wir haben den lieben Gott im Dorf behalten.
Kein Tag stand sein Haus leer, seine Glocken haben nie umsonst gerufen, wenn wegen falscher Einstellung der Automatik sie auch hie und da des Guten etwas zuviel taten.
Wir haben die Feste gefeiert, so wie sie fielen und gaben uns Mühe, es schön und würdig zu tun.
Unsere Bittprozessionen spürten noch nichts von der modernen wurmstichigen Theologie, unsere Sakramentsprozessionen verzichteten nicht auf ihre Fahnen und Statuen gemäss Vätersitte, wenn auch der Bevölkerungsschwund sich an der Zahl der Träger bemerkbar machte.
Am St. Celsustage fuhren unsere Traktoren blitzblank zum Segen vor und unsere drei Pferde hoben eleganter als sonst die feingestriegelten Schwänze.
Schon vor drei Jahren hatte unser neugewählter tatendurstiger Dorfvorstand das Chronogramm am Kirchenportal ausgerechnet und die Weichen der kirchlichen Dorfpolitik in Kirchen- und Gemeinderat auf ein Jubiläum gestellt, die Zentenarfeier der Kirche von 1971.
Altwies und Mondorf hatten neue Pfarrhäuser und neurestaurierte Kirchen mit pontifikalem Besuch inauguriert, weshalb sollte Ellingen das nicht auch können?
Also wurde zielstrebig die Trommel gerührt, und nicht umsonst.
Es begann mit neuen Kirchenbänken, mit einer neuen Façade am Pfarrhaus, und der Höhe- und Zielpunkt wird die Einweihung des neuen Volksaltars im neurestaurierten Chor der Kirche sein.
An einen Besuch in Ellingen kommt also der Bischof nicht vorbei!
Und in Ellingen wird an seiner Zentenarfeier mit Mondorf und Altwies gleichziehen!
Mit Hw. H. Kons hatte ich in München ein Stück Ellingen kennen gelernt, bei Hw. H. Reding, dem 14. und, wohl auf absehbare Zeit, letztem vollamtlichen installierten Pfarrer von Ellingen, nahm ich am Pfingstdienstag in Echternach von einem Stück Ellingen definitiven Abschied für dieses Leben.
Ueber H. Reding hatte der braune Lagerführer von Wallisfurt vor 25 Jahren eine Prophezeiung gemacht, als er wegen seines Dienstverhältnisses beim Dechant von Schwedeldorf reglementswidrig vom ersten Stock herabgesprungen und das Lager verlassen hatte: „Lass ihn laufen, den Pfaff, das wird wenigstens noch ein ordentlicher!“
Reminiszenzen aus Fusbann zufolge und die neunjährige Kirchengeschichte, die H. Reding in Ellingen gestaltet hat, haben dem braunen Gesellen absolut Recht gegeben.
Auf den Fingern kann man sie abzählen die Pilger des hl. Willibrord, die zur Feier seines Tages in 24 Stunden zweimal fünfzig Kilometer weit hergefahren kommen, wie es H. Theophile Reding am Pfingstmontag und -dienstag getan hat.
Noch einmal hat er sich dann von der Springprozession weg mit seinem früheren Ellinger Kollegen und seinen zwei „Nachfolgern“ zu Tisch gesetzt, sich von ihnen verabschiedet, um dann anschliessend den Weg zum Himmel zu nehmen.
Wir sind alle davon überzeugt, dass St. Willibrord ihm dabei das Geleite gegeben hat.
So möge er vom Himmel her das Jubiläum der Ellinger Kirche mitfeiern, für deren Renovierung er 1962 so tatkräftig mit Hand und Herz dabei gewesen war!

 

 

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